Kirchen und Kapellen

Alte Wallfahrtskirche

Werl

Im Schatten einer mächtigen Nachbarin

Die Alte Wallfahrtskirche von 1786–89 in ein geschichtsträchtiges Bauwerk. Sie liegt an zentraler Stelle in der Stadt. Und doch: Man übersieht sie leicht, liegt sie doch ganz im Schatten ihrer mächtigen Nachbarin, der neuen Wallfahrtsbasilika mit dem geräumigen Vorhof und der hohen Doppelturmfassade. Wer jedoch die Werler Einkaufsstraße aufmerksam abgeht, der erkennt: Die Alte Wallfahrtskirche kommt mit ihrer Fassade immer dezent in den Blick, egal ob von Norden oder Süden, denn sie liegt genau in einem leichten Knick der Straße.

Beschreibung

Die Alte Wallfahrtskirche ist ein längliches Gebäude mit dreiseitigem Abschluss. Auf dem Satteldach befindet sich – weit zurückverlegt – ein achteckiger Dachreiter. Betont schlicht, aber doch überlegt erscheint die Fassade: Ein mächtiges Werksteingesims unterscheidet den eigentlichen Baukörper vom Giebel. Breite flache Bänder gliedern die Fassade in schmalere Seiten und einen breiten Mittelbereich, dort befinden sich Portal und ein Bogenfenster, das sich in verkleinerter Form als Figurennische im Giebel wiederholt. Besonders markantes Detail der Fassade: Das erwähnte Werksteingesims ist ähnlich auch als Verdachung des Portals gewählt. So verklammern einfache Architekturmotive die Abschnitte der Fassade.

Genauso schlicht, aber weniger komponiert erscheinen die übrigen Ansichten. Die nördliche Langseite – heute Vorhof der Basilika – ist völlig fensterlos, weil hier einst Klostergebäude anschlossen. Die südliche Langseite umfasst Strebepfeiler aus Grünsandstein und hohe rundbogige Fenster. Beide Langseiten besitzen schlichte Nebeneingänge, die (wie die Hauptseite) ältere Türblätter aus Eichenholz aufweisen. Der dreiseitige Gebäudeabschluss bleibt fensterlos.

Der Innenraum ist von einer erstaunlichen Klarheit: Regelmäßig treten hohe Wandpfeiler mit Gebälkstücken aus Grünsandstein vor. Über den Raum hinweg sind breite Gurtbögen gespannt. Dazwischen finden sich fünf flache Kreuzgrat–Wölbungen sowie ein mehrteiliges Abschlussgewölbe, das den Hochaltar auszeichnet. Auf der gegenüberliegenden Seite trägt eine Empore das Orgelwerk.

Liturgie und Raum

Die Alte Wallfahrtskirche (Patrozinium Mariä Heimsuchung) ist eine klare und für spätbarocke Bauten typische Wegkirche. Dazu dient nicht nur der längliche Raum, sondern auch die charakteristische Gruppe aus drei Altären, die den Blick über die Seitenältare auf den Hochaltar und dort auf das Tabernakelhaus mit dem Leib Christi lenkt. Der Hochaltar erreicht gleichzeitig mit den Säulenstellungen, dem großen Altarblatt und dem Obergeschoss raumbestimmende Wirkung.

Der ungewöhnlich weite Abstand zwischen Seitenaltären und Hochaltar erklärt sich aus der früheren Funktion als Klosterkirche, erkennbar an dem schlicht gearbeiteten Chorgestühl hinter den Seitenaltären. Um die Kirche dem heutigen Wunsch nach einer liturgisch veränderten, mehr gemeinschaftlichen Ordnung anzupassen, entstand in jüngerer Vergangenheit ein kleiner Zelebrationsaltar.

Ausstattung

Die dreiteilige Altargruppe dürfte 1788/89 entstanden sein. Leider lassen sich Entwerfer und Ausführende nicht exakt benennen, dennoch kann eine Mitarbeit des Bildhauers Joseph Stratmann aus Geseke angenommen werden. Die drei Retabel und die Beichtstühle in den Wandnischen weisen eine stark bewegte Architektur aus geschwungenen Gesimsen und gewölbten Flächen auf. In den Details finden sich vielfältige Rokoko-Ornamente, lediglich das Tabernakelhaus auf dem Altartisch des Hochaltars zeigt strenge klassizistische Formen. Allein die Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit im oberen Teil des Hochaltares ist Originalbestand, alle übrigen Bildwerke wurden erneuert. Das Hochaltarblatt ist eine vergrößerte Kopie der Heimsuchung Mariens in der Wallfahrtskirche Kappl bei Waldsassen. Sämtliche Figuren in den Altären fertigte Bildschnitzer Bruno Vinazer aus St. Ulrich in Südtirol (1982/83). Die spätklassizistische Kanzel kam 1868 in den Raum und zeigt genauso wie die Kommunionbank deutlich ruhigere Formen. Der Schmuckfußboden im Chor geht vermutlich auf das Jahr 1893 zurück genauso wie der Kreuzweg von Hermann Volkhausen aus Paderborn. Die Verglasung des Eingangsfensters mit der Himmelfahrt Mariens entstand 1953 nach Entwurf von Christian Göbel. In der Nische der Kirchenfassade steht eine Marienfigur mit Kind von Joseph Wäscher.

Von der Idee zum Bau

Der Kapuzinerorden konnte 1651 das heutige Grundstück für eine Niederlassung in Werl erwerben. 1661–63 entstand nach Plänen des Ordensarchitekten Bruder Bonitius von Trier eine erste Kirche, die das Gnadenbild der Werler Madonna aufnahm. Diese erste Kirche wurde wegen Bauschäden 1786–89 ersetzt durch einen im Grundsatz ähnlichen Bau nach Entwurf von Franz Arnold Boner. Nach der Auflösung der örtlichen Kapuzinerniederlassung und der späteren Übernahme der Wallfahrt durch den Franziskanerorden verlängerte man den spätbarocken Bau 1860–61 um zwei Gewölbeeinheiten und um den dreiseitigen Gebäudeabschluss nach Osten. Gebäuderestaurierungen erfolgten 1952–55 und 1979–81.

Der Architekt Franz Arnold Boner

Franz Arnold Boner (1723–1813), ab 1767 Sekretär, Bauinspektor und Polier der Schlossbaukommission in Münster und damit Johann Conrad Schlaun zugeordnet, orientierte sich bei seinem Werler Entwurf an den Neubauten der Kapuzinerkirchen in Brakel und Münster, die Jahrzehnte zuvor von Schlaun erbaut worden waren.

Literatur

Falke, Didacus: Geschichte des früheren Kapuziner- und jetzigen Franziskanerklosters zu Werl. Paderborn 1911.

Igges, P. Bernhard: Wieder ein Schmuckstück der Stadt. Alte Wallfahrtskirche vor 200 Jahren geweiht. In: Werl gestern heute morgen (1988) S. 57–62.

Karrenbrock, Reinhard: Die Kunstdenkmäler der katholischen Kirchen und Kapellen. In: Werl. Geschichte einer westfälischen Stadt. Paderborn / Werl 1994, S. 271–302.

Klaus, Adalbert: Ein modernes Bild im barocken Hochaltar der alten Wallfahrtskirche zu Werl. In: Alte und neue Kunst im Erzbistum Paderborn 10 (1960) S. 89–91.

Otten, Heinrich: Architektur und Kunst der Wallfahrt nach Werl. In: 350 Jahre Marienwallfahrt Werl 1661–2011. Paderborn 2011, S. 289–348, hier S. 293–304.

Temme, Wilhelm: Die Wallfahrtskirchen von Werl. In: Franziskaner in Werl. 150 Jahre Dienst am Wallfahrtsort. Werl 1999, S.75–84.


Text und Fotos: Dr. Heinrich Otten